Ich hatte eine Lotus Elise *



Was hat eine uralte Jeansjacke mit dem unten abgebildeten Kraftstuhl zu tun. Nun - das Kleidungsstück ist heute - 2016 - schon über 40 Jahre alt und jener, der damals drinsteckte, hat in den Siebzigern schon um Mario Andretti gefiebert, als der seine Runden im F1 Lotus in den John Player Special Farben drehte. Da durfte ein Aufnäher nicht fehlen.



Die Faszination geht aber schon zurück auf die späten Sechziger, als ich einen Beitrag im „Reader's Digest Jugendbuch“ über den einzigartigen Lotus Fahrer Jim Clark las.

Bekanntermassen setzte der Konstrukteur Colin Chapman konsequent auf Leichtbauweise bei allen Komponenten der von ihm gebauten Rennfahrzeuge. Und das ist ein ingenieurtechnisches Prinzip bzw. ein Konzept, dem sich Fahrzeughersteller heute erst wieder zögerlich bedienen.


Es rollen viele sogenannte "Sportwagen" als hüftschwere Grazien durch die Lande, gerne auch im politisch korrekten Understatement als Überraschungsei in Limousinenform gepackt. Die Performance dieser Konstruktionen ist letztlich nur durch Gigantomanie im Motorbau und unter Hinnahme beachtlicher Verbrauchswerte erreichbar. So sind zwar immer noch extreme (meist abgeregelte) Endgeschwindigkeiten im Geradeauslauf zu erzielen, die Wendigkeit in engen Kurven leidet aber unter den Fettpölsterchen dieser Entwürfe.


Foto by Mike Riedner, Creative Services



Ganz anders bei Lotus: Bei der Elise Baureihen hat man sich dort Mitte der Neunziger auf die Linie Chapmans besonnen und konnte sich mit diesen dann am Markt vergleichsweise erfolgreichen Modellen aus einer wirtschaftlich kritischen Periode retten.


Lotus Elise Kalender 2013. Nufenen Pass Sep. 2012

Die 99T ist eine Jubiläumsausgabe der Elise 111S von 2003 mit dem 1800 ccm Rover K Series Motor, der sich im Rennsport auf der Insel großer Beliebtheit erfreut. Die Leistungswerte des kleinen Sportwagens entsprechen denen sehr viel teurerer Markenmodelle oder übertreffen sie häufig - nicht verwunderlich bei deren Hang zum „Sesselhaften“.


Foto by Mike Riedner, Creative Services


Elektronische Fahrhilfen fehlen dem flinken Mobil genauso wie jeglicher Komfort. Und für was sind eigentlich solche Verrücktheiten wie „elektrische Fensterheber“ und „Sitzheizung“ wirklich gut? Das muß ja alles mitgeschleppt werden. Dafür hat der Fahrer in der Elise das unvergleichliches Gefühl der unvermittelten Direktheit an der Schnittstelle Mensch-Maschine. Kein elektronisches Helferlein wie ESP, ABS oder Lenkhilfe streiten mit ihm um die beste Lösung und korrigieren mit Hilfe ihrer Algorithmen in den ASIC Chips. Das spart alles Gewicht, lastet aber gleichzeitig die Verantwortung für die Sicherheit und jedes Tun ausschließlich dem Fahrer an. Der dankt für dieses Vertrauen und verhält sich dann tunlichst entsprechend. Der abstruse Traum vom selbtsfahrenden Auto ist der totale Gegenentwurf zum Spass an Bewegung und jener anspruchsvollen Form des Autofahrens, die man in einem Lotus immer sicher hat.


Wo die Automobilindustrie also durch die Einbeziehung der Elektronik immer mehr die Züge eines Prothesenhersteller entwickelt, hat sich glücklicherweise eine kleine Fahrzeugschmiede in Großbritannien dem ursprünglichen Erlebnis „Autofahren“ verpflichtet.


Das geniesst man vorzugsweise an sommerlichen Tagen und auf kleinen Landsträßchen.





























Hier noch einige Anmerkungen zur besonderen Geschichte dieser 111s:
Diese Elise ist das erste Exemplar aus der Modellreihe der 99T gewesen. Sie wurde in 2002 gebaut, kam dann zu Lotus Engineering und wurde dort mit allen Merkmalen der 99T ausgestattet. Zunächst war das aus der Produktion genommene Fahrzeug in Lightning Yellow Pearl Code B83 lackiert - wurde bei Engineering aber mit Norfolk Mustard Code B05 überlackiert. Damit hat diese erste 99T noch nicht das Safron Yellow sämtlicher späterer 99T 111s. Beide Lackschichten sind im mittleren Fahrzeugteil gut zu erkennen. Andy Graham von Lotus Heritage hat in seinen Unterlagen ein "Camel Yellow" gefunden, ohne dass ein DuPont Code verzeichnet ist. Das Fahrzeug war dann auf der Genf Motorshow in 2003 als erste 99T zu sehen.
Chassis Nummer: SCCJA11182HD74358

* (Juni 2006 - Jui 2016) Anmerkung zum Titel: In Anlehnung an Tanja Blixens "Jenseits von Afrika" Der Roman beginnt "Ich hatte eine Farm in Afrika"